23. Juni 2015
Das unabhängige Expertengremium, welches von der International Agency for Research on Cancer (IARC) der WHO einberufen wurde, kommt zu dem Schluss, dass der Nutzen des Mammographie-Screenings für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren klar den potenziellen Schaden überwiege. Für Teilnehmerinnen werde die Brustkrebssterblichkeit um etwa 40 Prozent gesenkt. Die zusammengefassten Ergebnisse wurden heute online im New England Journal of Medicine veröffentlicht.
04.06.2015 / Berlin. Die 29 unabhängigen Experten aus 16 Ländern zogen für ihre Bewertung alle überprüften wissenschaftlichen Ergebnisse heran. In Anbetracht der großen Verbesserungen in der Mammographietechnik und der Brustkrebstherapie kam das Gremium zu dem Schluss, dass die Relevanz der 25 bis 30 Jahre alten, randomisiert kontrollierten Studien (RCT) in Frage zu stellen ist.
Die besten Daten zur Bewertung der Effekte eines Mammographie-Screenings lieferten nach Auffassung der IARC die qualitativ hochwertigen Beobachtungsstudien aus den aktuellen qualitätsgesicherten Brustkrebsfrüherkennungs-Programmen. Insbesondere inzidenzbasierte Kohorten-Studien mit langem Follow-up und Adjustierungen für Lead Time sowie für zeitliche Trends und geographische Unterschiede werden vom Expertengremium als geeignet angesehen ebenso wie Fall-Kontrollstudien nach sorgfältiger Prüfung ihrer methodischen Limitationen.
Für die Nutzen-Schaden-Bilanz wertete das Expertengremium rund
20 Kohorten-Studien sowie 20 Fall-Kontrollstudien aus Europa, Australien und Nord Amerika aus. Diese belegten, dass für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, die regelmäßig am Mammographie-Screening teilnehmen, die Brustkrebssterblichkeit um etwa 40 Prozent gesenkt werde. Das entspricht etwa 8 geretteten Leben pro 1.000 Frauen, die 20 Jahre lang regelmäßig die Untersuchung im Screening in Anspruch nehmen. Statt 19 Todesfälle würden nur noch 11 auftreten, berechnet für durchschnittlich 67 Neuerkrankungen zwischen 50 und 69 Jahren bei 1.000 Frauen.
Als relevante nachteilige Effekte nennt das Expertengremium falsch-positive Testergebnisse und Überdiagnosen. Das geschätzte Risiko für eine Screening-Teilnehmerin, in 10 Screening-Runden einen falsch-positiven Befund zu erhalten, liege bei rund 20 Prozent. Folglich werde 1 von 5 Frauen einmal innerhalb der 20 Jahre wegen eines auffälligen, schlussendlich jedoch gutartigen Befundes nochmals einbestellt.
Den Anteil an Überdiagnosen schätzt die IACR auf rund 6,5 Prozent ab. Das heißt, dass 4 von 1.000 untersuchten Frauen erfahren, dass sie Brustkrebs haben und deshalb auch behandelt werden. Diese Frauen hätten ohne Screening keine Kenntnis von ihrer Brustkrebserkrankung erhalten, da der Brustkrebs nicht auffällig und auch nicht lebensgefährlich geworden wäre. Neben der WHO empfehlen nach Analyse der aktuellsten Datenlage auch unabhängige Expertengremien in Großbritannien (Independent UK Panel), den Niederlanden (Health Council of the Netherlands) und den USA (U.S. Preventive Task Force) ein Mammographiescreening für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren.
Literatur: Lauby-Secretan B et al. for the International Agency for Research on Cancer Handbook Working Group (2015) Breast-Cancer Screening – Viewpoint of the IARC Working Group. June 3, 2015DOI: http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMsr1504363 Detaillierte Ausführungen der IARC Working Group werden publiziert in: Handbook of Cancer Prevention Volume 15.
Independent UK Panel on Breast Cancer Screening (2012) The benefits and harms of breast cancer screening: an independent review. Lancet 380 (9855): 1778-86.
Health Council of the Netherlands (2014) Population screening for breast cancer: expectations and developments. The Hague: Health Council of the Netherlands; publication no. 2014/01E.
U.S. Preventive Services Task Force (2015) Breast Cancer Screening Draft Recommendations, publication online April 20, 2015: http://screeningforbreastcancer.org/